STADTENTWICKLUNG: Vier neue Sperren am Uferweg
Die Saison ist eröffnet: In Groß Glienicke machen vier Seeanrainer ihre Drohungen wahr
POTSDAM / GROß GLIENICKE - Den Frühlingsanfang erkennt man andernorts an steigenden Temperaturen und aufspringenden Knospen. In Potsdam hingegen ist das Sperren von Uferwegen zum wichtigsten Indikator geworden. Ein Umstand, der Jann Jakobs im Jahr des Oberbürgermeisterwahlkampfs eher ungelegen kommt. „Diese verfluchten Uferwege“, murmelte Jakobs, während er mit betretenem Blick die Seepromenade entlangeilte. Er war nicht der einzige, der bei schönem Wetter dieser speziellen Form des Katastrophentourismus nachhing: Mehr als 100 Anwohner hatten sich gestern Abend zu einer spontanen Demonstration zusammengefunden. Denn was unter der Hand lange befürchtet wurde, ist seit gestern Morgen Realität: Vier neue Sperrungen machten pünktlich zum Saisonstart den Uferweg am Groß Glienicker See unpassierbar. Die Eigentümer der Grundstücke Seepromenade 39 und 64 errichteten im Morgengrauen Zäune und stellten Sicherheitsleute davor. Währenddessen wurde der ehemalige Weg emsig bepflanzt. An zwei weiteren Stellen begannen demonstrative Wegabbrucharbeiten – klassischerweise die Ouvertüre für eine spätere Sperrung.
Es ist das Modell, das bereits am Griebnitzsee funktionierte. In Groß Glienicke ist die Situation aber eine andere: Dort gibt es in einen gültigen Bebauungsplan, der auch schon vor Gericht bestätigt wurde. Theoretisch könnte die Stadt daher zur Enteignung schreiten, um den B-Plan umzusetzen. In der Praxis setzten der Ortsbeirat und die Stadt aber auf Vertragsverhandlungen und Gespräche. Wie lange das angesichts der neuen Provokation noch aufrecht erhalten wird, ließ die Stadt gestern offen.
Ortsvorsteher Peter Kaminski ereilte die Hiobsbotschaft im Urlaub in Holland. Obgleich Kaminski mit den dräuenden Sperrungen gerechnet hatte, nannte er sie „unverständlich“ und einen „bösen Akt“. Kurz vor Ostern sei das ein „schlimmes Zeichen“ und eine „absolute Frechheit“.
Anrainer-Anwalt Christoph Partsch hatte an die Sperrzäune Presseerklärungen geheftet, auf denen er versichert, seine Mandanten hätten durchaus Verständnis dafür, dass die Groß Glienicker den Weg gern nutzen würden. Deshalb hätten sie ihn auch jahrelang offengelassen. Nach sechs Monaten erfolgloser Verhandlungen mit der Stadt über Einzelfallregelungen – die meisten Eigner wollen für die Freigabe des Weges einen umfriedeten Garten oder einen Bootssteg bekommen – seien seine Mandanten aber so frustriert, dass sie die Verhandlungen „final abgebrochen“ und „ihre Grundstücke wieder in Besitz genommen“ hätten, so Partsch. Die Drohung mit der Enteignung lasse ihn kalt, da sich eine solche „über Jahrzehnte“ hinziehe. Der zugrunde liegende B-Plan eigne sich zudem laut Partsch gar nicht für eine Enteignung, der Uferweg sei dort nicht einmal eingezeichnet: „Die Stadt rennt dann in ihr eigenes Verderben“.
Jann Jakobs kündigte indes eine sofortige Beseitigungsanordnung für die illegal errichteten Bauzäune und die nicht im B-Plan vorgesehenen Pflanzen an, die teilweise mehr als zwei Meter aufragen. Er forderte die Anlieger auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, erinnerte aber auch daran, dass viele Sonderwünsche im Landschaftsschutzgebiet rechtlich nicht machbar seien. Seeanrainer Oliver Lorenz rief Jakobs zu, die Sperren seien „Hilferufe“ der Anwohner, weil die Stadt nicht mit ihnen über die Vertragsangebote rede und ihnen nicht „auf Augenhöhe“ begegne. „Das ist keine Entschuldigung für die Sperrung“, gab Jakobs zurück – und bekam Applaus. „Was sagen Sie eigentlich ihren Kindern, wenn die sie fragen, warum die anderen Kinder mit traurigem Gesicht am Zaun stehen?“ wollte eine Frau von den Verteidigern der Sperrung wissen. „Wir bitten sie, denen Bananen durchzureichen“, bekam sie zur Antwort. (Von Jan Bosschaart)
Thema Seenprivatisierung im Petitionsausschuss:
http://www.nordkurier.de/lokal.php?objekt=nk.lokales.teterow&id=649718
Mittwoch, 31. März 2010
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